Ende Oktober war ich mit einer Pilgergruppe auf einem Wanderweg rund um Weilburg unterwegs. Ich hatte mich im Vorfeld gut auf diese Tour vorbereitet, mich informiert über den Weg und die Sehenswürdigkeiten wie das Weilburger Schloss und die Kubacher Kristallhöhle. Dennoch passierte es, dass wir zwei Mal einen falschen Weg gingen, sodass viele Kilometer mehr als ursprünglich geplant zu laufen waren.
Impuls
16. November 2021
Glücklicherweise übernahm einer der Pilger mit Hilfe einer „Wander-App“ auf seinem Smartphone die Führung der Gruppe. Beim zweiten Verlaufen gingen wir querfeldein durch den Wald, durchs Gestrüpp, buchstäblich über „Stock und Stein“. Ich nahm die Unruhe der Pilgerinnen und Pilger wahr, aber auch meine eigene Verunsicherung und Ärger, spürte, ich hatte die Orientierung komplett verloren, stapfte und stolperte hinter den Teilnehmenden her. Ein fürchterliches Gefühl, keine Orientierung mehr zu haben und gleichzeitig Verantwortung zu tragen.
Die Sache endete Gott sei Dank gut, wir alle kamen zwar viel später als geplant, aber heil und ohne Blessuren am Ziel an.
Immer wieder muss ich in der momentanen Corona-Lage an dieses Erlebnis denken und ich sehe gewisse Parallelen zu dem aktuellen Geschehen: wir hatten uns in den letzten Monaten durch die Hygienemaßnahmen und vor allem durch die Impfung gut vorbereitet gefühlt auf den vor uns liegenden Weg durch Herbst und Winter. Wir hatten den Eindruck die Situation im Griff zu haben und es wurde proklamiert, die Pandemie wäre bald überwunden. Aber dann sind wir plötzlich buchstäblich vom Weg abgekommen und befinden uns nun in einer Phase der Orientierungslosigkeit. Immer wieder neue Informationen über Regelungen, Verhaltensmaßnahmen und nötige Boosterimpfungen verwirren und verunsichern. Ich bemerke ein ganz ähnliches Gefühl in mir, wie bei der Pilgerwanderung im Wald und nehme dies auch bei den vielen Gesprächen mit meinen Mitmenschen wahr. Wie und vor allem wann werden wir am Ziel ankommen?
Szenenwechsel – in der vergangenen Woche war ich mit einer Freundin und Pilgerbegleiterkollegin von Bad Sobernheim zu der Ruine des Klosters Disibodenberg gewandert. Diese Anlage war die Wirkstätte der Heiligen Hildegard von Bingen. Von der Klosterkirche und dem ganzen Anwesen sind nur noch Mauerreste vorhanden, dennoch hat dieser Ort eine besondere Ausstrahlung. Es ist zu spüren, dass viele Menschen dort über Jahrhunderte hinweg gebetet und Gott gelobt haben. Auch wir empfanden die eindrückliche Atmosphäre. Als wir an diesem Novembertag in der wärmenden Mittagssonne picknickten, sahen wir plötzlich einen leuchtenden Schmetterling, der sich auf einer auf dem Boden eingelassenen Jakobsmuschel sonnte. Ganz still saß er da und genoss wie wir die letzten Sonnenstrahlen im Herbst. Für uns beide war es ein kleines Wunder und wir empfanden diese Begebenheit als ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass Gott uns nah ist und uns in dieser verrückten und aufwühlenden Zeit nicht alleine lässt.
Vielleicht erlebt ihr in diesen Tagen ebenso kleine, unscheinbare Ereignisse, in denen ihr die Nähe und Gegenwart Gottes wahrnehmen könnt. Das wünsche ich uns allen!