Neulich saß ich im Wartezimmer einer Ärztin und betrachtete während des Wartens die gezeichneten Portraits von Künstlerinnen und Künstlern, die dort gerahmt an den Wänden hängen. Mein Blick fiel auf das Gesicht von Leonard Cohen, eines kanadischen Sängers, Dichters und Songwriters, dessen besinnlich - melancholischen Lieder ich gerne in meiner Jugendzeit hörte. In meinem Inneren begann die Melodie des Liedes „Hallelujah“ zu erklingen. Dann dachte ich darüber nach, dass Cohen von einem heiligen Hallelujah und von einem gebrochenen Hallelujah (the broken hallelujah) singt.
Impuls
22. April 2021
Gebrochen, zerbrochen, bei diesem Wortspiel fiel mir plötzlich sein Lied Anthem (Hymne) ein, in dem es u.a. heißt:
„There's a crack in everything. That's how the light gets in.“
Übersetzt heißt das so viel wie: „In allem hat es einen Riss. So kommt das Licht herein. “
Nach einem Jahr Corona- Pandemie hat manches Risse bekommen oder ist sogar zerbrochen. Die Existenz von kleinen Unternehmen, von Gastronomen, Freiberuflern, Selbständigen oder KünstlerInnen. Das Vertrauen in die Politik und ihre Handlungsfähigkeit ist angeschlagen und verletzt, unsere Gesellschaft wirkt gespalten. Ebenso sind Beziehungen und Freundschaften „angeknackst“ und teilweise auseinander gegangen, weil es offenbar den einen wichtig war, sich an die Corona- Regeln zu halten, die anderen diese jedoch ablehnten und sich sogar der „Querdenker“ – Bewegung angeschlossen haben. Diese Erfahrung musste ich selbst schmerzhaft machen, dass mir vertraute Menschen sich plötzlich in ihrer Haltung verändern und Verschwörungstheorien verbreiten. In meinem Umfeld sprechen langjährige Freunde nicht mehr miteinander. Ein großer Riss und Schaden in den Herzen ist entstanden….
Alle diese Gedanken bewegte ich in mir in diesem Wartezimmer und das Lied von Leonard Cohen wurde immer lauter in mir: „There's a crack in everything. That's how the light gets in.“ In allem gibt es einen Riss, so kann das Licht herein. Für mich ist dieses Licht die heilende und versöhnende Liebe Gottes. Es gibt Risse, aber es gibt ebenso Versöhnung, Vergebung und Neuanfang. In den vergangenen Wochen feierten wir Ostern und erinnerten uns an die Auferstehungskraft, die alles Dunkel überwunden hat.
Als ich wieder zu Hause war, rumorten diese Gedanken weiter in mir und ich erinnerte mich an einen Text in der Bibel, den der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth geschrieben hatte.
In 2. Korinther 4, 6-7 heißt es:
6 Denn so wie Gott einmal befahl: »Licht soll aus der Dunkelheit hervorbrechen!«, so hat sein Licht auch unsere Herzen erhellt. Jetzt erkennen wir klar, dass uns in Jesus Christus Gottes Herrlichkeit entgegenstrahlt.
7 Diesen kostbaren Schatz tragen wir in uns, obwohl wir nur zerbrechliche Gefäße sind. So wird jeder erkennen, dass die außerordentliche Kraft, die in uns wirkt, von Gott kommt und nicht von uns selbst. (Hoffnung für alle Bibel)
Hier wird für uns Menschen das Bild von „zerbrechlichen Gefäßen“ gebraucht. Aber in allen Schwierigkeiten, Verzweiflung und Ratlosigkeit leuchtet das Licht Gottes mit außerordentlicher Kraft in alles Zerbrochene in uns und durch uns. Dies ist für mich eine überwältigende Zusage! Damit kann ich die Brücke schlagen zu Leonard Cohens „broken hallelujah“ und „there's a crack in everything. That's how the light gets in“.
Gestern Abend erlebte ich in einem Gespräch mit einer Frau eine Bestätigung dieser Aussage. Sie sprach von ihrer Dankbarkeit darüber, wie viele Menschen in unserem Land, in Europa und weltweit in dieser schwierigen Zeit voll guten Willens, mit Vernunft, mit Liebe und Glauben im Herzen unterwegs sind. Sie sind für ihre Mitmenschen da und tragen dadurch Licht in die Dunkelheit hinein. Sie alle helfen mit, dass das Zerbrochene, der Riss, die Entzweiung wieder heilen kann.